„Segelfliegen heißt Streckenfliegen“ – In der Tat ist wohl das Streckenfliegen die „Königsdisziplin“ im Segelflug. Hier werden die höchsten Anforderungen an den Piloten gestellt, psychisch wie auch physisch.
Zum erfolgreichen Streckenfliegen muss sämtliches Wissen über Wetter, Navigation und Technik abgerufen werden und wer dann teilweise zwischen 6 und 10 Stunden mit 100% Konzentration im Cockpit sitzt, sollte definitiv auch körperlich fit sein.
Für viele Piloten beginnt bereits beim Abflug vom Platz die erste psychologische Hürde. Es ist fast immer ein Flug ins Ungewisse. Man startet am Platz, kurbelt sich in der Thermik nach oben und wenn man an den Wolken angekommen ist fliegt man in die geplante Richtung ab.
Wenn man dann mit, sagen wir mal 1500m Höhe, vom Platz los fliegt benötigt man spätestens nach etwa 30-40 Kilometern eine neue Thermik um sich erneut nach oben zu schrauben. Da einem aber niemand garantieren kann (außer die eigene Erfahrung vielleicht) dass genau diese Thermik zum einen vorhanden ist und dass man sie zum anderen auch wirklich findet benötigt es schon ein wenig Überwindung den sicheren Heimatflugplatz hinter sich zu lassen und einfach drauf los zu fliegen.
Streckenfliegen ist definitiv eine Sache für sich und es ist sehr schwer zu erklären, wie es „richtig“ funktioniert. Im Wesentlichen geht ein Großteil schlichtweg über Erfahrung, dazu etliches Wissen über Wetter und Bodenverhältnisse und oft entscheidet am Ende auch immer eine kleine Portion Glück ob man auf einem Acker Außenlanden muss oder weiterfliegen kann.
Die Gründe für Außenlandungen sind vielfältig: In einigen Fällen kann aufgrund der Wetterlage für den Piloten absehbar sein, dass er nicht mehr nach Hause kommt und er kann gezielt einen anderen Flugplatz in der Nähe anfliegen und dort landen.
Bei anderen Flügen kann natürlich auch schlichtweg kein Flugplatz in Reichweite sein oder aber der Pilot hat sich klassisch „verpokert“ – er hat also fest damit gerechnet an einer bestimmten Stelle Thermik zu finden und ist drauf los geflogen, es war aber keine Thermik da und in Folge dessen muss er landen.
Nach der (hoffentlich geglückten) Außenlandung nimmt der Pilot dann Kontakt zu seinem „Rückholer“ auf – Meist ein Vereinskamerad dem er vor (wohlgemerkt VOR) dem geplanten Streckenflug Bescheid gegeben hat und der sich dann mit einem Flugzeuganhänger und noch 1-2 weiteren Helfern auf den Weg macht.
Landet man z.B. auf einem Flugplatz hat das häufig den Charme, dass man sich von einem Motorflugzeug im „F-Schlepp“ zum eigenen Platz zurück schleppen lassen kann. Das ist dann zwar meist etwas teurer, jedoch erspart man sich eine Menge Arbeit und schneller geht es auch. Liegt man auf einem Acker so geht das natürlich nicht.
Hier ist man auf sein Rückholerteam angewiesen dass einen mit Auto+Anhänger abholen kommt. Bis die Kollegen da sind erlebt man häufig die kuriosesten Geschichten, angefangen von aufgebrachten Landwirten die mit der Polizei im Schlepptau wutschnaubend aufkreuzen bis hin zur Einladung auf ein Grillfest mit Bier war bei mir schon alles mit dabei.
Es ist halt immer ungewöhnlich wenn auf einmal ein Segelflugzeug sprichwörtlich „hinterm Haus“ landet und im Normalfall ist einem auch niemand böse sondern alle sind neugierig und finden es eher aufregend so etwas mal erlebt zu haben.

 

Quellenangaben:

[Titelbild] “Glider” von Tim Proffitt-White. CC BY-NC-NC 2.0